Unsere Kita ist in Bewegung - nach Hengstenberg und Pikler
Emmi Pikler (1902-1984) war Kinderärztin, Gründerin und langjährige Leiterin des Säuglingswaisenheims „Lóczy“ in Budapest. Der Name Emmi Pikler steht heute für einen Bewusstseinswandel in der Kleinkindpädagogik: Schon der Säugling wird als Mensch ernst genommen. Emmi Pikler erkannte schon bei ihrer familienberatenden Tätigkeit den Wert der Eigenaktivität und selbstbestimmten Bewegungsentwicklung des Kindes für seine Persönlichkeitsentfaltung.
Elfriede Hengstenberg hat als Gymnastiklehrerin 65 Jahre lang mit Kindern und Jugendlichen in Berlin gearbeitet. Die körperlichen Defizite, weshalb die Kinder zu ihr kamen, verschwanden in der Gymnastikstunde. Ihr wurde deutlich, dass Haltungsschäden ein Ausdruck der Gesamtpersönlichkeit sind. Elfriede Hengstenberg entwickelte spezielle Geräte, die sog. "Hengstenberg-Geräte", die die Kinder zum selbständigen Ausprobieren anregten. Durch ihre begleitende Haltung unterstützte sie die Kinder in ihrer Probierfreude, und sie griff ihre Ideen auf, um neue Impulse zu geben.
Das Material
Es gibt viel Holz (Natur) und die Farbgestaltung vermeidet starke Reize. Die Aufmerksamkeit der Kinder wird damit auf den Boden und die vorhandenen Materialien gelenkt.Die Pikler-Materialien eröffnen Kleinkindern einen besonderen Spielraum. Sie regen zu Eigenaktivität im freien Spiel und Bewegung an.
Über die Hengstenberg-Materialien suchen die Kinder sich, voller Neugierde, abenteuerliche Hindernisse, einen selbst gewählten Weg - und entdecken dabei das Geheimnis des inneren und äußeren Gleichgewichts.
Alle Geräte sind miteinander kombinierbar und dienen als vielseitige und bewegliche Elemente. Sie bieten den Kindern vielfältige Möglichkeiten, sich Bewegungslandschaften zu bauen, die sie in eigenem Zeitmaß und eigener Dynamik erkunden dürfen und die der Entfaltung ihrer Geschicklichkeit und Bewegungsfreude Raum geben.
Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft
Es wird ausschließlich Holz aus europäischen Wäldern verwendet. Lange Transportwege während der Produktion werden vermieden.
Stabilität
Alle Spielgeräte sind aus Massivholz: überwiegend Esche und Buche.
Umweltverträglichkeit
Die Holzoberfläche wird ausschließlich mit natürlichem und umweltverträglichem Leinöl hergestellt.
Spielmaterial, dass:
nicht zum Konsum verführt
stabil und sicher ist
durchschaubar und variabel ist
die Bewegungsfreude der Kinder aufgreift
Kinder zueinander in Beziehung bringt
Kinder öffnet, Verantwortung für den Umgang mit ihrem Spielzeug zu entwickeln
Zwischen Sicherheit und Risiko
Die Sorge vieler Erwachsener, dass Kinder verunglücken und vielleicht von der hohen Leiter fallen könnten, ist verständlich. Doch diese Sorge entsteht eigentlich nur dann, wenn man Kindern nicht von Anfang an eine selbständige Bewegung ermöglicht, sie auf die Geräte hebt und ihnen die Hand reicht, wenn sie nicht gleich wieder hinunter finden. Es ist eher hinderlich für die selbständige Bewegungsentwicklung, wenn der Erwachsene eingreift, sobald das Kind signalisiert: "Ich kann es nicht allein". Kinder, die weder zu Aktivitäten gedrängt werden, noch die in ihren Versuchen, selbständig Hindernisse zu überwinden, gebremst werden, suchen und finden Lösungen, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen. Dazu ist eine vertrauensvolle Grundhaltung notwendig. Wir sollten erst einmal abwarten, welchen Weg das Kind wählt.
Unsere eigenen Erfahrungen
Drei Mitarbeiterinnen der DRK Kita Hetlingen haben an einer „Hengstenberg-Pikler“ Fortbildung teilgenommen. Dort wurden die Materialien vorgestellt und die Möglichkeit gegeben, eigene Erfahrungen damit zu machen. Mit dieser Fortbildung steht der Kita nun, für ein Jahr, eine große Materialkiste zur Verfügung. Es gibt das Bodenmaterial wie Bau- und Balancierbrettchen, Vierkanthölzer, Tragkisten, Kippelholz und Kippelscheibe, sowie die Materialien zur Höhenerfahrung die Biberwürfel, Krabbelkiste mit Anbaukeilen, Pikler-Dreieck, Hühnerleiter, Rutschbrett und Bogenleiter. Die Materialien sind miteinander kombinierbar, so dass immer wieder neue Erfahrungen und Landschaften entstehen. Derzeit probiert sich die Krippengruppe (0-3 jährige) in Bewegungen aus. Vom ersten Tag an wurden die Hengstenberg-Pikler Geräte sehr gut von den Kindern angenommen. Mit jedem Einsatz der Materialien steigt das Interesse, die Bewegungsideen und auch der Mut der Kinder. Eine wichtige Regel gibt es auch dafür. Die Kinder sollten möglichst barfuß ihre Erfahrungen machen. Aussagen wie „Das ist ganz weich“, „Meine Füße werden so warm“ oder „Fühlt sich gut an“ sind ein täglicher Begleiter der Kinder.
Die Biberwürfel (große Würfel zum durchkriechen oder rauf stellen) kommen regelmäßig zum Einsatz. Die 42cm großen Würfel sind mit Stäben oder Rundlöchern ausgestattet. Die Kinder krabbeln dadurch oder stellen sich rauf. Eine spannende Erfahrung war es auch, diese als Turm aufzubauen. Hierbei befindet sich das Rundloch unten und die Kinder finden einen Weg hinein zu kommen. Für das wieder raus kommen brauchen einige Kinder viel Zeit, denn wenn man drinnen steht, hat der eigene Körper plötzlich ganz andere Ausmaße. Hierbei sind viele Möglichkeiten entstanden, den Rückweg anzutreten (vorwärts, rückwärts, Kopf oder Füße zuerst). Besonders gern kommen die Bogenleiter, das Rutschbrett, das Pikler-Dreieck und die Hühnerleiter zum Einsatz.
Ein Beispiel für eine eigene Körpererfahrung:Das Rutschbrett wurde in einen Biberwürfel gehängt. Ein Junge (2;9 Jahre) läuft das Rutschbrett mittlerweile sehr schnell und sicher runter. Diese Bewegung wurde oft hintereinander ausprobiert. Einmal hatte er die Idee, sich oben hinzustellen und rückwärts von der Rutsche runter zu gehen. Seine Schritte waren langsam, da er nach Hinten nicht sehen konnte. Nach ein paar Mal probieren, ist er auf der Hälfte vom Brett abgerutscht. Er konnte sich halten und strahlte uns Erzieher, mit der Aussage „Das war knapp“ an. Der Junge probierte diese Bewegungen immer wieder und ließ sich nicht davon entmutigen.
Einem Kind seinen Freiraum für Bewegungserfahrungen zu geben, ist gar nicht so leicht. Auch wir Erzieher(innen) neigen dazu, vorschnell, eine Hand als Sicherheit anzubieten.Gemeinsam, Kinder und Erzieher(innen) begeben wir uns aber sehr gern auf die Reise der Bewegungen!!