Von wegen „Jacke wie Hose“
Auch wer wenig Geld hat, will respektabel aussehen. Die DRK-Kleiderkammern ermöglichen das. Zum Beispiel in Uetersen.
Ehrenamtliche mit Namensschild, ein heller Raum, schicke Tücher an der Wand - das Wort „Kammer“ ist klares Understatement. „Wer in die Kleiderkammer des DRK-Ortsvereins Uetersen kommt, soll sich wie in einem Laden fühlen“, erklärt Leiterin Marlis Kollvitz, „Damit es schön aussieht und nicht wie Kraut und Rüben, achten wir zum Beispiel darauf, dass an jedem Ständer die gleichen Kleiderbügel hängen.“ Die Feinheiten machen den Unterschied, was manchem das Hineinschauen erleichtert. Gerade ältere Menschen hätten oft eine Schwelle zu überwinden, weiß die Kleiderkammerleiterin und „Wer einmal da war, der kommt wieder.“
Zwischen 30 Cent und 5 Euro Schutzgebühr werden für die Sachen erhoben. „Es sei denn, es kommt ein Stück von Jil Sander rein“, schmunzelt Marlis Kollvitz, „dann kostet es vielleicht ein paar Euro mehr.“ Dass die Kundschaft die Einrichtung liebevoll „Modestübchen“ nennt, spricht Bände. Gefragt sind derzeit warme Schuhe und Bettwäsche. Davon könnte mehr gespendet werden, aber das hat man hier nicht in der Hand. Die Stadt Uetersen übernimmt Miete und Nebenkosten für die Räume in der Kleinen Twiete 72. Zwei Etagen und 200 Quadratmeter Fläche stehen seit dem Umzug 2021 zur Verfügung.
Gerade sind 15 Kartons angekommen, bis obenhin gefüllt mit muslimischen Kleidungsstücken. Dass sie hier stehen, ist vor allem dem ersten Vorsitzenden des DRK-Ortsvereins, Baris Karabacak, zu verdanken. Gleichzeitig Bürgervorsteher weiß er, bei wem er für welche Initiative anklopfen muss. In diesem Fall bei der Grünen Moschee in der Katharinenstraße. Die dortige erfolgreiche Sammlung von Kleiderspenden schließt eine Lücke im Angebot der DRK-Kleiderkammer.
„Immer wieder sagten Frauen zu mir: ‚Schöne Röcke hier, aber zu kurz.‘“, erinnert sich Marlis Kollvitz. Das Interesse an muslimischer Kleidung wurde deutlich. Wie vielfältig die Kundschaft ist, zeigt sich zu Monatsbeginn, wenn die Kleiderkammer ihre Türen öffnet und die unterschiedlichsten Sprachen zu hören sind. Während der Öffnungszeiten von 14 bis 16.30 Uhr kommen pro Tag bis zu 50 Besucherinnen und Besucher, die sich einen Einkaufskorb schnappen und losstöbern. Für Nachfragen auf Deutsch, Türkisch, Englisch, Russisch und Farsi stehen die ehrenamtlich Mitarbeitenden zur Verfügung. „Wir decken fast alle Sprachen ab, die in Uetersen gesprochen werden.“, freut sich die Einrichtungsleiterin.
Die aktuell 18 Ehrenamtlichen leisteten 2023 in zusammen 1870 Stunden eine gemeinnützige Arbeit, die bedürftigen Menschen in Uetersen ein würdiges Erscheinungsbild ermöglicht. Was zu tun ist: Kleidung falten, Regale einräumen, Kaffee kochen. putzen - und klönen. Kundinnen wollen nicht nur beraten sein, sondern auch über ihre Alltagssorgen sprechen. Pausen sind eingeplant. Gelegenheit, sich kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Mitmachen können auch Menschen, die wenig Zeit haben. Wer noch im Berufsleben steht, kann mitunter nur zwei Stunden im Monat dabei sein. Auch das ist möglich.
Marlis Kollvitz, die früher in der Pharmabranche tätig war, hat sich, wie die meisten hier, ihr Ehrenamt sorgfältig ausgesucht: „Ich habe in der Zeitung geschaut, wo ich mich engagieren könnte, war auf einer Ehrenamtsmesse.“ Das war der Einstieg vor acht Jahren. Nach drei Jahren wurde ihr die Leitung angeboten. Die Ideen gehen ihr und ihrem Team nicht aus. Die Uetersener Geschäftsleute ziehen mit und spenden, zum Beispiel übrig gebliebene Stofftiere vom Weltspartag. Von der VR Bank kamen Plüschkraken und von der Sparkasse Eichhörnchen - Nikolausgeschenke, über die sich die Kinder sehr gefreut haben.
Für die 66-Jährige und ihr Team gibt es kein „08/15“. Auch eine Kleiderkammer braucht frische Impulse. Und wer könnte die besser geben als diejenigen, die die gleiche Arbeit machen? Der Erfahrungsaustausch der DRK-Kleiderkammern führte bereits nach drei Treffen zu einer neuen Präsentation der Textilien. „Das Regalsystem der Kleiderkammer in Tornesch gefällt mir“, sagt Marlis Kollvitz, „kleinere Fächer ergeben kleinere Stapel, die man besser durchsehen kann“. Auch ein Erfolg: Hosen lang auf Tische legen und Preise draufkleben. „Am Ende waren nur noch zwei Hosen übrig.“ Der Bedarf ist da. Und helfende Hände sind immer willkommen.
Adresse:
DRK-Kleiderkammer Uetersen.
Kleine Twiete 72
25436 Uetersen
Öffnungszeiten:
Am zweiten, dritten und vierten Mittwoch jeden Monats von 14 bis 16.30 Uhr
Spendenannahme nach telefonischer Anmeldung von 13 bis 14 Uhr und von 15 bis 16 Uhr
Kontakt:
Marlis Kollvitz
Tel: 0170 150 62 73
Mail: marlis.kollvitz@drk-uetersen.de
Foto: Wolfgang Kolvitz